Angst vor Chefin: Psychosomatische Symptome und Panikattacken als Folge früher Beziehungserfahrungen
- silviawinter
- 14. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Juni
Ausgangslage
Frau K., 24 Jahre alt, kam in meine Praxis mit einer Vielzahl von Symptomen, die sie in ihrem Alltag stark einschränkten. Dazu zählten psychosomatische Beschwerden wie Allergien, Übelkeit beim Essen, aber auch Angstzustände, insbesondere in Ruhephasen. Zusätzlich berichtete sie von sozialen Ängsten, vor allem in der beruflichen Umgebung – insbesondere im Kontakt mit ihrer Vorgesetzten. Ihre Lebensgeschichte wirkte auf den ersten Blick unauffällig, ihre aktuelle Lebenssituation stabil.
Im Gespräch erlebte ich Frau K. als offen, freundlich und lebendig. Umso mehr irritierten sie selbst ihre heftigen emotionalen Reaktionen im Kontakt mit ihrer Chefin. Jede Rückmeldung, jeder Wunsch oder Hinweis vonseiten der Vorgesetzten – selbst sachlich oder freundlich formuliert – löste bei Frau K. starke emotionale Reaktionen aus. Sie musste Tränen zurückhalten, verlor den sprachlichen Zugriff und verspürte innere Starre.
Hypnotherapeutische Exploration
In einer ersten Hypnosesitzung näherten wir uns dem Gefühl, das diese Reaktionen auslöste. Sehr rasch entstand ein inneres Bild:
Sie war ein kleines Kind, zu Besuch bei der Großmutter, gemeinsam mit ihrem Cousin. Während dieser sichtbar bevorzugt wurde, erlebte sie sich als streng gemaßregelt – abgelehnt, ungewollt, nicht liebenswert. Das Gefühl:„Ich bin falsch.“ – „Ich darf nicht sein, wie ich bin.“
Die emotionale Atmosphäre war geprägt von Angst, Ohnmacht und Erstarrung. Sie spürte deutlich: „Ich kann nicht gehen.“ – ein zentrales Erleben, das sich später in der Arbeitswelt übertrug.
In weiteren Sitzungen zeigte sich, dass die Großmutter stark zur Abwertung anderer neigte. Für sie war „niemand gut genug“. Dieses Klima führte bei Frau K. zu einem generalisierten Gefühl, ständig beobachtet und kritisiert zu werden. Sie entwickelte daraus den Glaubenssatz:
„Ich kann es nie richtig machen.“
Gleichzeitig wurde deutlich, dass auch die Mutter – wenn auch gut gemeint – intensive Warnungen aussprach, mit bildhaften Beschreibungen möglicher Gefahren. Dies verstärkte unbewusst die Leistungsängste und die innere Anspannung, immer „alles richtig machen“ zu müssen.
Übertragung auf die Gegenwart
Die heutigen Reaktionen auf ihre Chefin waren durchaus Ausdruck der aktuellen Realität, aber die emotionale Übertragung früher Beziehungserfahrungen mit Großmutter und Mutter verstärkte die Angst.
Jede Äußerung der Vorgesetzten wurde als Kritik empfunden,jede Anweisung als Abwertung,ihre bloße Anwesenheit löste massive Angst aus.
Therapeutischer Prozess
In mehreren Hypnosesitzungen – kombiniert mit Gesprächen – bearbeiteten wir die innere Beziehung zu den prägenden Bezugspersonen:
Die Großmutter wurde in ihrer Strenge und Ablehnung innerlich umpositioniert und emotional entmachtet.
Die Mutter wurde differenzierter betrachtet – mit Verständnis für ihre Sorge, aber auch mit Abgrenzung gegenüber ihren übermäßigen Warnungen.
Das erwachsene Ich wurde gestärkt, in dem sie auch in die Rolle der Chefin schlüpfte und ihre eigene Art des Führens und damit ihre aktuellen Grenzen festlegte.
Gleichzeitig arbeiteten wir an den inneren Dialogen der Klientin: Sie hatte viele der abwertenden Botschaften verinnerlicht und setzte sie nun gegen sich selbst ein.
In einem besonders wirksamen Moment der Hypnose gab sich Frau K. selbst die Erlaubnis, „von der Oma nach Hause gehen zu dürfen“ – sinnbildlich für das heutige Leben:
„Ich darf mir einen neuen Arbeitsplatz suchen.“
Ergebnis
Die Panikattacken verschwanden relativ rasch, als diese innere Erlaubnis ausgesprochen und emotional verankert wurde. Frau K. lernte, ihre Trigger zu erkennen und einzuordnen. Die Projektionen auf die Chefin wurden entkräftet. Im Laufe des Prozesses konnte sie sich selbst neu begegnen:mit mehr Verständnis, Selbstfürsorge und dem Mut, für sich einzustehen.
Die therapeutische Arbeit betraf also drei Ebenen und Richtungen, die sich ergänzten bzw. befeuerten:
Die verinnerlichten Beziehungsmuster zu Großmutter und Mutter,
die automatischen Gedanken über andere Menschen („Alle bewerten mich“),
und den Umgang mit sich selbst („Ich bin nicht gut genug“).
Therapeutische Einordnung
Frau K. zeigt exemplarisch, wie psychosomatische Symptome und soziale Ängste nicht immer aus äußeren Umständen, sondern aus frühkindlichen Beziehungserfahrungen resultieren können.Die Wiederholung dieser frühen Muster im heutigen Leben (z. B. am Arbeitsplatz) ist häufig unbewusst – aber über innere Bilder, Hypnose und achtsame Begleitung zugänglich und veränderbar.
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